>>zurück

Othello



Es war einmal eine einohrige Katze mit Namen Othello, also eigentlich ein Kater. Dieser Kater war wunderschön. Sein seidig glänzendes tiefschwarzes Fell, war wundersam weich und samtig und wenn man leicht gegen den Strich fuhr, erschien es darunter silbern. Stolz trug er einen mächtigen weißen Schnurbart in seinem breiten Gesicht und Othello konnte mit seinen riesigen grünen Augen geheimnisvoll funkeln. Es war ein mächtiges und schweres Tier und kein anderer Kater traute sich, seinen Weg zu kreuzen. Nur einmal wagte es ein verlauster Straßenköter sich in seinen Weg zu stellen. Der Kampf war wild und grausam. Bei diesem Gemetzel verlor Othello eines seiner Ohren, der Hund allerdings ein Auge. Othello hatte eigentlich ein Zuhause, wo er allerdings nur kurzzeitig verweilte. Bei seinem Menschen holte er sich hin und wieder ein paar Streicheleinheiten ab und verlangte, wenn er sich herabließ dort zu erscheinen, sein Futter, welches im Wesentlichen aus rohem Rindfleisch bestand. Der alte grauhaarige Herr ließ den Kater seine Eigenheiten und freute sich jedes Mal, wenn Othello mit einem gewaltigen Sprung vom Kirschenbaum herunter auf seinen Balkon sprang. Laut schnurrend kam er dann zu dem knarrenden Schaukelstuhl, strich um die dürren Beine des alten Mannes und sprang schließlich auf seinen Schoß, wo sich der eigenwillige Kater genüsslich von ihm kraulen und streicheln ließ. Die meiste Zeit verbrachte dieser Kater in einem geheimnisvollen Wald hinter dem Häuschen des alten Herrn. Dort ging er seiner liebsten Beschäftigung nach: der Jagd. Er jagte alles was sich bewegte, egal ob Vogel, Maus, Ratte oder Eichkätzchen. Hauptsache es bewegte sich und machte die Jagd lange spannend. Der Wald erstarrte, wenn sich das spärliche Gras bewegte und man den schwarzen Schatten wahrnahm. Hin und wieder konnte man die Augen grün leuchten sehen, dann war es für aber schon zu spät, der Jäger hatte sein Opfer erspäht und meistens war die Beute schnell erlegt. Eines Tages allerdings geschah etwas Seltsames: Othello hatte seine Jagd gerade eröffnet, die Sonne ging vor ihm langsam unter. Ihr nun schon spärliches Licht ließ seine Augen smaragdgrün aufblitzen. Geheimnisvolle Schatten tanzten vor ihm auf und ab, aber diese beachtete er nicht. Er hatte etwas ganz anderes entdeckt, dass ihn viel mehr interessierte, ein schillerndes, flatterndes Etwas. Es tanzte immer im gleichen Abstand vor ihm her. Zuerst dachte Othello, es sei ein Schmetterling, dafür war es aber zu groß und auch wieder zu zierlich. Es machte aber rein gar nichts, was es nun war, sein Jagdinstinkt war geweckt! Immer wieder schlich er sich an, duckte sich tief und war zum Sprung bereit. Aber immer wenn er angreifen wollte, flatterte dieses komische Ding weiter. Schön langsam wurde seine Wut geweckt. Auf keinen Fall wollte er dieses geheimnisvolle Flatterding entkommen lassen! Nach einem weiteren Angriff hatte der Kater den Eindruck, ein sehr leises glockenhelles Gelächter zu hören. Verdutzt blieb er abrupt sitzen. Da war es doch schon wieder! Lachte ihn dieses komische Ding da vorne etwa aus? Seine Augen glitzerten grausam und seine langen weißen Zähne blitzten. Nun war er aber wirklich böse! Er kauerte sich zum letzten Angriff zusammen, fuhr seine langen spitzen Krallen aus und wollte springen - als er plötzlich einen schrillen Schrei hörte. Das zierliche flatterige Ding hing gefangen in einem riesigen Spinnennetz und versuchte verzweifelt wieder raus zu kommen. Aber dabei verfing es sich immer mehr in den dicken klebrigen Fäden. Das zauberhafte Ding hatte nicht aufgepasst, als es mit den großen schwarzen Kater spielte. „Hilf mir! Bitte!“ flehend blickte das kleine Mädchen Othello mit ihren großen Vergissmeinnichtaugen an. Die dicke hässliche Kreuzspinne hatte sie aber schon entdeckt und kam immer schneller näher. Vor Angst fing sie jetzt laut zu kreischen an. Othello dachte nicht lange nach, mit einem gewaltigen Satz sprang er auf das Netz zu. Mit seinen langen gefährlichen Krallen riss er das ekelige Netz auf und schnitt so der riesigen Spinne den Weg ab. Vorsichtig fing er die kleine Elfe mit seinen samtigen Pfoten auf. „Ich danke dir Othello! Ich wusste doch, dass du nicht so böse bist, wie die anderen Waldtiere es immer sagten!“ Sie schnalzte ihm seinen dicken Kuss auf seine pelzige Wange, als sie sich mit Hilfe von Othellos scharfen Krallen soweit von den klebrigen Spinnweben befreit hatte, dass sie wieder fliegen konnte. „Ich bin Agnes, die Dienerin der Königin. In ihrem Namen soll ich dich fragen, ob du nicht unser neuer Wächter sein willst.“ Ungläubig verfolgte Othello die winzige Elfe mit seinen grünen Augen, die vor seiner Nase herumtanzte. „Warum gerade ich?“ „Weil du keine Angst hast! Und deinen Ruf fürchten sogar die Trolle, die uns immer wieder überfallen wollen.“ Lange brauchte der schwarze Kater nicht überlegen. Es war eine überaus ehrenvolle Aufgabe das Elfenvolk zu beschützen. Bisher hatte er immer nur aus Erzählungen von dem geheimnisvollen Volk im Wald gehört, gesehen hatte er allerdings bis heute noch nie eine Elfe. Also nahm er voll Freude an. „Ich freu mich ja so!“ Agnes ließ wieder ihr glasklares Lachen hören. Vorsichtig schaute sie sich um, ob ja keiner zuhören konnte. Aber trotzdem verriet sie dem einohrigen Kater das Geheimnis des Tores in die Elfenwelt in der alten Eiche in der Mitte des Waldes nur so, indem sie zu seinem spitzen Ohr flatterte und es ihm zuflüsterte. „Ich hätte da nur einen Wunsch“, Othello konnte den alten Mann im Schaukelstuhl nicht vergessen. Agnes saß nun in Augenhöhe vor dem Kater auf einem schmalen Zweig eines Haselnussstrauches. „Von Zeit zu Zeit möchte ich den alten Zausel im Waldhäuschen besuchen. Sonst macht er sich noch Sorgen.“ „Kein Problem“, grinste sie, breitete ihre Flügel aus und flog davon.

copyright Roxanne