Als die Bescherung beinahe ausfiel
Liamara am 13.11.97 

Der Schlitten war fertig. Die Geschenke waren festgezurrt, die Säcke verstaut. Die Rentiere schnaubten und scharrten ungeduldig mit den Füßen. Es konnte losgehen. Nur einer fehlte noch: der Weihnachtsmann. Seine Frau war schon ganz nervös. Er war immer noch nicht erschienen, und das am heiligen Abend! Sonst war er doch immer die Pünktlichkeit in Person. (Man sollte meinen, daß das auch nicht allzuviel verlangt war, wenn man einen Job hatte, bei dem man nur ein einziges Mal im Jahr etwas zu tun bekam). 

Nichtsdestotrotz, er war noch nicht da. Die Frau des Weihnachtsmannes stand händeringend in der Haustür ihrer gemeinsamen Villa am Nordpol und suchte fiebund lief zum Schlitten. „Rudolf“, sagte sie zu dem rotnasigen, dauerverschnupften Lieblingszugtier ihres Mannes. „Komm, laß mich dich ausspannen, wir müssen den Weihnachtsmann suchen!“ Rudolf war nicht sonderlich begeistert, um diese Zeit noch aus dem Gespann genommen zu werden, aber er begriff, daß der Weihnachtsmann noch nicht erschienen war, und wenn er seiner Frau nicht half, ihn zu finden, würde er vielleicht überhaupt nicht mehr rechtzeitig erscheinen. Die Frau des Weihnachtsmannes schwang sich auf Rudolf, und in einem irrwitzigen Galopp rasten sie auf die einzige Stadt am Nordpol zu, die die Menschen nicht kannten.

Denn sie war ebenso geheim wie das Haus und die Werkstätten des Weihnachtsmannes selbst, und alle die dort lebten, arbeiteten allein für das heilige Fest. Die Frau desnn sie klopfte. Sie legte die Hand auf den Türgriff, und siehe da, die Tür ging auf - und in der Apotheke stand ihr Mann! „Was machst du denn hier?“ rief sie. Schuldbewußt sah der Weihnachtsmann seine Frau an. „’ch ‘n so ‘rk’ltet!“ schniefte er. „Was?“ „Er ist erkältet“, übersetzte der Apotheker. „Ihr Mann ist schon eine halbe Ewigkeit hier, weil wir versuchen, herauszufinden, wie er möglichst schnell gesund wird. Doch ich fürchte, das ist vergebens. Eine Erkältung ist eben eine Erkältung.“ „Aber wer soll denn dann die Kinder bescheren!“ rief die Frau des Weihnachtsmannes. „D’s mu’t du ‘ben ma’hen!“ sagte der Weihnachtsmann. „IIICH? Aber ich habe doch noch nie...“ Der Weihnachtsmann blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr. Seine Frau tat es ihm gleich und erschrak. „Nun ja, gute Besserung“, rief sie und ritt auf Rudolf zurück zu ihrem Haus.

Flugs spannte sie ihn dort wieder in den Schlitten, und los ging die Fahrt. Was soll ich sagen? Die Bescherung klappte hervorragend, und in diesem Jahr gab es ein ganz besonders schönes Weihnachtsfest, denn die Frau des Weihnachtsmannes hatte es wirklich gerettet. Von da an durfte sie jedes Jahr mitfahren und ihm helfen, und unter uns gesagt, die Kinder, bei denen sie bescherte, bekamen immer ein klitzekleines bißchen mehr als die anderen.