Am naechsten Morgen, als ich aufwachte - bei hellem Tageslicht - konnte ich kaum glauben, dass ich mich derart kopflos benommen hatte. Und dann sass ich ploetzlich kerzengerade im Bett. Das Ausmass der Katastrophe wurde mir erst jetzt bewusst. Robs 501 - ich hatte sie ins Wasser fallen lassen! 

    Aus dem Bett und in Shorts und T-Shirt springen war eins, dann hechtete ich mit einem hastigen "bonjour" an der voellig verdutzten Madame Munoz - sie machte sich mittlerweile wahrscheinlich ernsthafte Gedanken um meinen Geisteszustand - vorbei in den Golf und raste zur Bucht.  

    Angesichts des morgendlichen bereits sehr regen Verkehrs war es gar nicht so einfach, sich zu beeilen, doch dank der Missachtung verschiedener Verkehrszeichen sowie des Ignorierens von wilden Hupkonzerten aufgebrachter Franzosen gelang es mir, in wenigen Minuten am Parkplatz zu sein. Alle Vorsicht ausser acht lassend, sprang ich die Treppe - mehrere Stufen auf einmal nehmend - hinab, kam auf der letzten natuerlich ins Stolpern, rutschte auf den runden Kieseln aus und ehe ich es mich versah, lag ich - klatsch - wie ein Kaefer auf dem Ruecken.  

    Ein herzliches Lachen drang zu mir herueber und da erst bemerkte ich, dass ich nicht allein war. Auf meinem Baumstamm sass ein pfeiferauchender fremder Mann und beobachtete mich amuesiert. Verlegen kam ich auf die Beine und klopfte mir den Dreck ab.    

    "Haben Sie sich etwas getan?" rief er mir in leicht franzoesisch angehauchtem Deutsch zu und, als ich verneinte: "Na, dann kommen Sie mal her zu mir, ich habe schon auf Sie gewartet!"  

    Ueberrascht und ein wenig misstrauisch ging ich zu ihm und stellte fest, dass sein schneeweisses Haar nicht etwa kurz war, wie ich auf den ersten Blick geglaubt hatte, sondern auf seinem schmalen Ruecken in einem langen Zopf zusammengehalten wurde. 

    "Georg Sebastian Orlander", stellte er sich mit vergnuegter kleiner Verbeugung und verschmitztem Laecheln in den Mundwinkeln vor und reichte mir die Hand. Jungegebliebene gruenblaue Augen sahen mich aus einem sonnengegerbten kantigen Gesicht freundlich an. Er musste einmal sehr attraktiv ausgesehen haben, jetzt schaetzte ich sein Alter auf Ende Sechzig. Er kam mir nicht bedrohlich vor, also ergriff ich seine Hand, stellte mich ebenfalls vor und setzte mich neben ihn. 
    "Wieso haben Sie mich erwartet?“ wollte ich neugierig wissen. 
    "Na, ich habe sie gesehen gestern“, schmunzelte er, "und auch Ihren überstürzten Aufbruch miterlebt“ -  
    Er sog bedaechtig an seiner Pfeife. 
    - "na, Sie haben ja alles stehen gelassen und da habe ich Ihre Sachen ins Haus geholt.“ 
    Bis dahin war mir noch nicht aufgefallen, dass alles weg war: mein Rucksack, die Ueberreste meines Abendessens, Handtuch, Kordel, Papier. 
    "Sie wohnen also hier? Und ich dachte, die Besitzer waeren in Urlaub oder so.“ 
    Er nickte zustimmend. 
    "Das waren wir auch. Immer auf Reisen. Aber sehen Sie – meine Frau ist gestorben und ohne sie macht mir das Weltenbummlerdasein keinen Spass mehr. Ich will nun meinen Lebensabend hier verbringen, wo wir oft sehr glücklich waren.“ 
    Sein Blick verlor sich über das Meer und ich sagte leise: "Tut mir leid". 
    Er laechelte mir sanft zu.   
    "Ja, es ist nicht so leicht. Aber ich habe ja all meine Erinnerungen und so ist sie doch noch bei mir." 
    So wie Rob noch bei mir ist, dachte ich. Und seine Jeans – oder? 
    Hastig packte ich Georgs Arm. 
    "Sagen Sie, bei meinen Sachen – ist auch eine Hose darunter? Eine blaue Jeans? Ich habe sie ins Wasser fallen lassen, vor Schreck!“ 
    Georg schuettelte sofort den Kopf. 
    "Ich weiss, welche Hose Sie meinen. Ich habe gesehen, wie Sie das kleine Paket geoeffnet haben. Sie war nicht mehr da, als ich an den Strand kam. Aber vielleicht...“ er deutete zum Wasser hin, "...vielleicht hat ER sie?“ 
    "Wer ER?“ fragte ich voellig verdutzt.