Das Weihnachtswunder

Sara saß mit einer Freundin am Küchentisch und redete beim Kaffee über alte Zeiten. Lenya musterte Sara verstohlen.
"Du bist nicht mehr wie früher! Deine Lebenslust ist weg, deine Art andere mitzureissen und Spaß zu haben – alles wie vom Erdboden verschluckt! Du lässt Dich selbst hängen, gehst nicht mehr aus, nichts."
"Ja, ich weiss. Aber was soll ich machen. Jens kümmert sich nur noch ums Geschäft und wenn er dann nach Hause kommt, meckert er nur noch rum. Vor allem lässt er seine Laune überwiegend an Jule und dem Hund aus. Da kümmere ich mich doch lieber selbst um alles, als dass ich Angst haben muss, dass er ausflippt."
Und wie zur Bestätigung kommt Jens herein und setzt sich nach einem kurzen Hallo mit an den Tisch. Vor Freude strahlend kommt die 2 jährige Jule aus ihrem Zimmer gerannt, zu Jens hin und umarmt ihn.
"Papi, Papi!! Da bist du ja!"
"Na komm – sonst bist du auch nicht so!"
Verzweifelt dreht Sara den Kopf weg.

Später am Abend – irgendwie war es ein verflixter Tag – nachdem sich die fiesen Sprüche und Vorhaltungen häuften, platzte Sara der Kragen.
"Wenn Du das Kind noch einmal anschreist, dann pack ich unsere Sachen und gehe!"
Wow, das tat gut, ihn so verdattert da stehen zu sehen. Sara schnappte sich das Kind und verschwand im Badezimmer, um Jule zu baden.Nach einem kleinen Weilchen schaute Jens zaghaft um die Ecke.
"Wie meintest du das gerade?"
"So, wie ich es gesagt habe. Aber lass uns später darüber reden, ich möchte nicht, dass Jule was mitbekommt."

Gesagt getan – als Jule sicher und geborgen im Bettchen lag, setzten sich Jens und Sara in die Küche um zu reden. Und da brach es aus Sara heraus. Noch einmal alles, was sie eigentlich schon die ganzen 5 Jahre gesagt hatte, nur, dass es diesmal nicht von der Wand prallte. Sara redete sich wirklich alles von der Seele, auch dass es ihr egal war, dass sie das Haus nicht behalten könnten , welches sie grad zuvor gekauft hatten und soviel Herzblut hinein gesteckt hatten. Da brach Jens zusammen und Sara triumphierte innerlich. Das tat schon irgendwie weh. Immerhin hatte sie ihn ja mal geliebt – war da überhaupt noch etwas??

Beeinflusst von seinen Versprechen und von den Gesprächen mit Bekannten und Verwandten erlebte Sara in der nächsten Zeit eine wahre Gefühlsachterbahn. Zumal es auch noch mitten in der Adventszeit war und sie sich fragte, ob das Fest der Liebe nur eine Legende war. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als in Jules Augen das Glück zu entdecken, das sie damals beim Klingeln der Glöckchen, dem ersehnten Zeichen der Bescherung, empfand.

Sie entschloss sich, das Ende des Jahres abzuwarten und dann die gefürchtete Entscheidung zu treffen und stellte das Ultimatum an Jens. Dieser brach aus allen alten Mustern und wendete sich, für andere Beteiligte unvorstellbar, um 180 Grad. Er war wieder derjenige, in den Sara sich damals verliebt hatte. Dazu kam, dass eine Sara unbekannte Frau in den Karten las, dass sich alles wieder einrenken würde. Trotzdem skeptisch beobachtete sie die kleine Familie wie aus dem Stand einer dritten Person. Immer noch versuchte sie im Innersten nach den Gefühlen zu suchen, die einmal da waren… nichts.

Zwei Tage vor dem heiligen Fest musste noch ein Arzttermin wahrgenommen werden. Ein kleiner pochender Punkt auf dem Monitor. Der Ursprungstermin lag 2 Wochen vor dem großen Knall. Nach einem Blick in Jens Augen und nach dem Kribbeln in Saras Bauch, war ihr klar geworden, dass es noch Wunder gab. Und sie freute sich darauf, Jule von dem Geschwisterchen zu erzählen.
Aber dieses Privileg erbat Jens sich.

copyright Tanja Ehring (8.12.04)