Die Spinne im INTERNETz - Teil 12 von Distelhaar
Der Lichtfleck wurde jetzt rasend schnell größer. Trotzdem nahm ich die Dinge wie in Zeitlupe wahr. Ich weiß, das klingt widersprüchlich, aber anders kann ich meine Eindrücke nicht in Worte fassen. Die Personen in dem strahlenden Licht hatten orangene Körper, gelbe Köpfe und hielten irgendwelche länglichen Gegenstände in den Händen. Waffen? 

Je mehr ich mich ihnen näherte, desto weniger konnte ich sehen, weil das gleißende Licht mich blendete. Die bunten Wesen verschmolzen zu schwarzen Silhouetten. Meine Augen schmerzten ob der strahlenden Helligkeit und ich mußte den Blick nach unten wenden. 

Ich blickte auf eine Art Armaturenbrett. Überall Anzeigen, Schalter, Knöpfe, Hebel und Kurbeln. Der Tacho zeigte 180 Stundenkilometer. Wo war ich hier? Und woher kam dieses laute ratternde Geräusch, das mir schon die ganze Zeit in den Ohren dröhnte, obwohl ich es erst jetzt bewußt wahrnahm? 

Meine Güte! Ich hob die Hände vors Gesicht und schaute, durch die Ritzen zwischen meinen Fingern blinzelnd, wieder nach vorne. Oh nein! Ich stand im Führerhaus eines außer Kontrolle geratenen Zuges, der mit einem Affenzahn auf das Ende eines Tunnels zusteuerte. Und auf drei Gleisarbeiter!!! Was sollte ich tun?!? 

Ausweichen! Dummkopf, du fährst auf Schienen. Egal. Ich packte das, was ich für das Lenkrad hielt... Du fährst auf Schienen! ... und riß es mit aller Gewalt nach links. 

Ein schmatzendes Geräusch ertönte, als der Zug in einer 90° Kurve in die geleeartige Seitenwand des Tunnels eindrang. Mit einem Schlag wurde es totenstill und stockfinster, dann, ganz langsam, sah ich durch das Fenster der Lokomotive wie die Masse, in der ich mich befand, anfing rötlich zu glühen. Ich konnte wieder sehen. Aber was ich sah, gefiel mir gar nicht. Die Scheiben wölbten sich nach innen und drohten zu bersten. Gleichzeitig begannen die Metallholme und die Decke der Kabine durch durchdringende Quietsch- und Knarzlaute deutlich zu machen, daß auch sie dem Druck von außen nicht lange würden standhalten können. Das war das Ende. Ich würde bei lebendigem Leibe von einem gigantischen Wackelpudding zerquetscht werden. Immerhin kein alltäglicher Tod. 

Mit morbider Faszination beobachtete ich, wie das rötliche Glühen stärker wurde, und langsam in eine Mischung aus rosa und orange überging. Gleichzeitig meinte ich zu erkennen, wie sich in diesem diffusen Leuchten ein bläuliches Geflecht von Adern abzeichnete. Als wenn man durch die geschlossenen Augenlider in eine Halogenlampe blickt ...