Die Spinne im INTERNETz - Teil 13 von Krizzy
"Neiiiiiiiiiiiin, ich muß hier raus und ich will zu Richard...", hörte ich mich noch schreien. Im nächsten Moment blickte ich in die aufmerksam forschenden Augen von Frau Dr. Annegret Müller-Sumpfmoos, meiner Psychotherapeutin. 

"Ja, Frau Palme, da hat sich ja wieder einiges in Ihren Träumen angesammelt seit unserer letzten Sitzung", sagte die Sumpfmimose, wie ich sie heimlich in Gedanken nannte. 

"Ach ja", seufzte ich und dachte mir, daß es erstaunlich war, daß ich nun nach immerhin schon fast zwei Jahren Therapie immer noch jedesmal verblüfft war, wenn ich von der Sumpfmimose aus der Tiefenentspannung rausgeholt wurde. 

'Tiefenhypnotische Traumdeutung mit signifikant kathartischem Effekt' hieß die Methode mit der man versuchte meinem Problem auf die Spur zu kommen. 

"Also, man sieht an Ihren Ausführungen eindeutig, daß sie sich mit dem Geschehenen kritisch auseinandersetzen. Das ist doch immerhin ein Fortschritt, den wir in den letzten Monaten harter Arbeit gemeinsam erreicht haben, oder wie sehen Sie das? - Frau Palme???" Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen und pflichtete Dr Sumpfmimose kopfnickend und stirnkräuselnd bei: "Was - äh - ja natürlich haben Sie da irgendwie den Punkt wieder einmal genau getroffen." 

Puuuuh, da hatte ich ja nochmal Glück gehabt.

Glück gehabt zu haben hatte ich ja auch vor zwei Jahren gedacht. Es war kurz vor Weihnachten. Mir stand mein erstes Weihnachten hinter Gittern hier im Frauengefängnis bevor und mir erschienen die ersten drei Monate in Verwahrung bereits wie drei Jahre. 

Damals entschied irgendeine Komission von Psychologen, Soziologen und sonstigen '-OLOGEN', daß ich an dem Projekt 'Chance 2000' teilnehmen könne. Dies teilte mir die Frau Doktore am 23. Dezember 1995 um genau 22.38 Uhr mit. 

Sie war mit einer Sonder-sonder-spezial-erlaubnis um diese Uhrzeit zu mir in die Zelle gelassen worden, um mir die freudige Nachricht noch vor dem großen Fest zu überbringen. Sozusagen als ein Engel im Psychologenkostüm. Für sie war das wohl ein riesen Ding. Aber nicht nur aus rein engelhaften Samaritergründen, denn durch die Stelle bei 'Chance 2000' würde sie endlich aus Ihrer zweieinhalbjährigen Arbeitslosigkeit befreit werden, wie sie vor lauter Euphorie überschäumend unverhofft offen mitteilte. 

"Toll", hatte ich nur sagen können, weil irgendwie wollte mir an diesem Vorabend des Abends aller Abende, des Heiligen Abends, nicht mehr über die Lippen kommen. 

"Das wird schon. Nun haben wir durch unser Vorgespräch, dessen Zusammenfassung ich der Komission gezeigt habe, erst einmal die Aufnahme ins Projekt geschafft. Alles andere ist nun nur noch eine Frage von harter Arbeit", hatte die Mimose mir noch aufmunternd zugeträllert, bevor Sie wieder, vor Freude strahlend, siegesbewußt auf den hohen Absätzen tänzelnd, meine Zelle verließ. Schön daß wenigstens sie aus ihrer mißlichen Lage befreit worden war. Aber bis zu meiner Befreiung aus diesem Kasten hier würden noch mindestens 5 Jahre vergehen. 

Wie bereits der Name 'Projekt 2000' implizierte, ging es dabei darum, durch therapeutisches Arbeiten dafür zu sorgen, daß wenigstens einige der 'Probanten', wie sie uns zu lebenslanger Haft Verurteilten auserwählten Knackis nannten, im Jahr 2000 begnadigt würden. Dieses Ziel sollte dadurch erreicht werden, daß alle gesammelten Unterlagen über die gemachten Fortschritte und die hoffentliche Heilung der gestörten Knackis von den bösen Wurzeln ihrer Taten, durch die Komission im Sommer 1999 beim Bundespräsidenten zum Begnadigungsgesuch eingereicht werden würden. 

"Der Vietnamese", hörte ich jemanden von der Ferne sagen, "der steht natürlich für ihren asiatischen Freund, den Sie ja leider mit diesem Küchenmesser aufgeschlit - äh - zu Tode gebracht haben." 

Beim Wort Tod war ich wieder voll im hier und jetzt und hörte Frau Dr. Müller-Sumpfmoos fortfahren: "Ja und daß Sie nun immerhin versuchen mit der Tatsache, daß dieser asiatische Verlobte von Ihnen, also Herr Da No Ne, also - daß Sie versuchen seine Homosexualität, die er Ihnen an Ihrem geplanten Hochzeitstag mitteilte, zu akzeptieren, das sieht man in der klaren Darstellung des homosexuellen Liebespaares am Strand." 

Ach ja, dachte ich und hörte sie noch sinnieren: "Was hat wohl dieser seltsame Name Joghurt mit ihrem Mord an Herrn Da No Ne zu tun - ???", da drifteten meine Gedanken schon wieder davon und ich dachte daran, ...