Die Spinne im INTERNETz - Teil 8 von TheEgg
"Du vermaledeiter Riesenköter, der eigentlich eine Ratte sein sollte, mich erst mit einer Schrotflinte bedrohen und jetzt auch noch von der Seite anmachen! Hör sofort auf damit!...." 

Erschrocken hielt ich inne. Wieso konnte ich sprechen? Das gleiche fragten sich offensichtlich auch die beiden anderen Passagiere, die ruckartig aus ihrer Verschlingerung schreckten und nervös um sich blickten. 

Sie konnten mich hören! Der Hund hingegen hatte unbeeindruckt sein Geschäft verrichtet und strollte sich nun davon. Strollen war nicht ganz der rechte Ausdruck bei einem ausgewachsenem Vieh von 1.50 m Wirbelsäulenhöhe über Bodenniveau machte ich mir klar. Nun, er verschwand jedenfalls aus meinem Sichtfeld. 

Ich konnte sprechen und andere konnten mich hören! Wie konnte ich es nun anstellen, auf mich aufmerksam zu machen, ohne das hier jemand den Verstand verlor? Mein eigener mußte mußte mir schon vor längerem abhanden gekommen sein. Und wo war Richard Gere? Und wie kamen diese beiden zu meinem Hund? O.K. ich hatte ihn verkauft! 

Bevor ich mich entschließen konnte was und vor allem wie ich es tun sollte, sah ich aus dem Palmenblattwinkel wie einer der beiden Typen eine Machete aus einer neben dem Handtuch liegenden Scheide zog, aufstand und auf mich zu kam. Schweißperlen rannen meinen Blättern hinunter. Der ansehnliche kräftig gebaute junge Mann kam näher...und ich erkannte in ihm den Vietnamesen, dem ich Jogurth verkauft hatte! Manchmal steckt selbst im Irrsinn ein wenig Sinn. Er blieb vor mir stehen, steckte sich die Machete zwischen die Zähne, umklammerte mich und begann an mir hochzurobben. Mhmm, kein schlechtes Gefühl. Da war der Palmenexistenz doch noch etwas abzugewinnen. Nein, durchaus sehr angenehm. Das ließ mich die Machete fast vergessen...bis zu dem Moment, als er auf der Höhe der Bananenstaude angekommen war. Die Beine um den Stamm geschlungen hielt er die Bananenstaude mit einer Hand fest und mit der anderen nahm er die Machete aus dem Mund und... würde ich etwas spüren... ich begann zu zittern. 

Tatsächlich zitterte auch der junge Mann und hielt irritiert inne. Ich versuchte mich zu beherrschen. So etwas gehörte sich nicht für eine Palme! Er glaubte es sei eine Windböe, holte weit aus und ließ die Machete mit einem kräftigen Schlag niederfahren. 

“Ahhhhhhhhhhhh..........." 

Die Bananenstaude sauste nach unten. Vor Schreck hatte der gute Mann den Halt verloren und folgte ihr. Der Anblick, der sich mir bot war schauderhaft! 

Ein Unfall, ein Unfall...oder hatte ich ihn umgebracht? Ich war doch nur eine Palme! Hätte ich ihn warnen müssen, ihm sagen, daß ich gar keine Palme war. Aber alles war so schnell gegangen....Hatte eine Palme Verantwortung für das was sie tat? und wenn ja, warum? 

Erst Hundepisse, dann Schweißperlen und jetzt Tränen! Es wurde zunehmend feuchter um mich herum. 

Den Freund des von der Machete durchdrungenen hatte ich völlig vergessen. Offenbar fassungslos stand er vor der Leiche. Auch Jogurth war wieder zurück und schnupperte an seinem Herrchen. Er zuppelte an einem Hosenbein...und...kaum zu glauben, aber der Vietnamese bewegte sich noch! Sein Freund gewann seine Fassung zurück, zog ein Handy aus seiner Hosentasche und wenig später wurde die Luft über mir von gewaltig vibrierenden Rotorblättern zerschnitten. Vorsichtig wurde der am Boden liegende zusammen mit seiner Machete eingeladen. Sein Hund und der zweite Mann stiegen hinterher und so plötzlich wie der Helikopter erschienen war verschwand er auch schon wieder. Stille. 

Vielleicht bestand noch Hoffnung für den armen Kerl? 

Das hatte ich wirklich nicht gewollt! 

Eine Yacht ohne Besatzung lag kurz vor meiner Küste. 

Und mir war es immer noch nicht gelungen mich aus meiner Palmenexistenz zu lösen. Vielleicht sollte ich irgendwie versuchen auf die Yacht zu gelangen, und dann Kurs...ja, wohin? Ein irrer Gedanke folgte dem anderen auf der Wurzel. Rod Steward kam mir in den Sinn... 

"...I am sailing...." 

In Gedanken stand ich am Steuerruder der Yacht und der Fahrtwind blies mir ins Gesicht, daß meine Lippen trocken wurden. Ich griff in meine Rocktasche, die andere Hand am Steuer, zog den Vaselinestift hervor und strich mir sorgfältig über die Lippen. 

Moment...ich blickte mich um...der Gischtstreifen den das Boot hinter sich ließ reichte bis kurz vor eine mit Palmen bestandene Insel...Meine Insel?...Ich tastete an mir herum, zwickte mich, schloß die Augen, öffnete sie wieder...nein wirklich, ich war wieder ich!! keine Palme mehr!! Wo ich doch gerade angefangen hatte mich in der Gedankenwelt der Palmen zurechtzufinden! 

Ich hätte vor Freude und Erleichterung Salto schlagen können!! 

Nun war mir auch schlagartig klar, wie es dazu gekommen war, daß ich einige Monate als Palme hatte verbringen müssen und nahm mir vor mit meinen Gedanken und Wünschen in Zukunft vorsichtig zu sein! 

Was ich immer noch nicht wußte, war, wo war ich? 

Wenn doch nur Mr. Gere jetzt neben mir stehen könnte!