So vorsichtig und leise ich auf den steinernen Treppenstufen auch auftrat, die gomerischen Eidechsen schienen über einen siebten Sinn zu verfügen: nicht nur seitlich meines Weges, sondern bereits einen halben Meter voraus brachten sie sich vor meinen neugierigen Augen in Sicherheit, indem sie blitzartig unter Steinen oder im Gebüsch verschwanden. Nur das beständige Rascheln verriet, dass sie sich noch Sekunden zuvor reglos auf den heißen Steinen verharrend genüsslich der Sonne hingegeben hatten.
Gemächlichen Schrittes, um in der Gluthitze nur ja nicht frühzeitig außer Atem zu geraten, stieg ich durch das kleine malerische, wie mit Knetmasse in den steilen Hang gedrückte Künstlerdorf El Guro hinauf zum Wanderpfad, der mich laut Inselführer in eineinhalb Stunden zum Salto de Aqua, dem Wasserfall im Barranco de Arure des Valle Grand Rey, geleiten sollte.
Der Pfad verlief oberhalb von El Guro für fast zehn Minuten einen Steilhang entlang, dann an einer meterlangen senkrecht aufragenden Basaltwand vorbei und schließlich unter dem tief hängenden Blätterdach einer Palme hindurch ins Bachbett des kleinen Flusses Arure. Ab hier hieß es seinem Verlauf stromaufwärts zu folgen. Eine rechte Kraxelei zuweilen: ich mühte mich unter dichtem Schilf hindurch, kletterte über große Felsbrocken, zwängte mich durch enge Lücken mit Dornengebüsch zur Rechten und stacheligen Agaven zur Linken. Doch nicht nur, dass es einen Heidenspaß machte ob des leichten Anflugs von Abenteuergefühl – ich wurde nun auch hin und wieder mit dem vollständigen Anblick einer Eidechse belohnt und fing, wenn sie davon huschte, oftmals einen kurzen Blick aus kleinen schwarzen schrägen Augen auf.
Noch andere Wanderer interessierten sich für den Wasserfall, ich war nicht allein unterwegs. Ein Ehepaar in den Mittvierzigern, eine attraktive grauhaarige Französin und ich erreichten schließlich fast gleichzeitig das Ziel unserer Anstrengung: Glücklich standen wir inmitten senkrechter Felswände und betrachteten den in glitzernden Tropfenfontänen von weit oben in einen kleinen See stürzenden zierlichen Wasserfall. Die Französin entledigte sich zu unserer Überraschung ihrer gesamten Kleidung und stieg, kleine spitze Schreie ausstoßend, splitternackt unter das eiskalte Wasser. Die Ehefrau folgte nach wenigen Minuten lachend ihrem Beispiel, worauf ihr Gatte sofort zur Videokamera griff.
Ich begnügte mich, als sich beide zum Trocknen auf ausgebreitete Handtücher zurückgezogen hatten, damit, Schuhe und Strümpfe auszuziehen und ein wenig in dem kleinen See herum zu laufen. Ein Balanceakt, denn der Boden war von runden Kieselsteinen übersät, die gerade die richtige Größe hatten, um schmerzhaft in empfindliche Fußsohlen zu drücken. Die Sonne fiel von oben mit dem Wasserfall herab und die funkelnden Tropfen sprangen mir ins Gesicht. Ich drehte mich und hielt meinen Nacken für einen Augenblick dem erfrischenden Nass entgegen, dann watete ich ein Stück weiter nach rechts zu der Stelle, an der der kleine See knietief absank. Dort erblickte ich mit einem Mal den Kern zwischen all den Steinen am Grund.
Nicht, dass ich das Fruchtfleisch der Avocado mag, beileibe nicht, ich hasse den mehligen Geschmack. Nichtsdestotrotz liebe ich es, aus den glatten beigefarbenen Kernen in mühevoller Hätschelarbeit kleine Triebe zu ziehen, bis sie zu grünblättrigen Pflanzen heranwachsen. Das Prachtexemplar einer solchen Pflanze hatte mir am Abend zuvor einen schattigen Platz im Restaurant La Orquidea beschert – ein mächtiger dicht beblätterter Baum voll schwarzgrauer kugelförmiger Früchte, wie er nur in einem solchen Klima wie dem der kanarischen Inseln gedeihen kann – meine Avocado-Bäume erreichten mit Mühe, wenn sie nicht vorher eingingen, die Ein-Meter-Marke.
Vielleicht war das Vorabenderlebnis der Grund, dass ich den Kern im Wasserfallsee überhaupt nur zur Kenntnis nahm – ich tauchte mit einer Hand unter und barg ihn aus dem Wasser. Wie mochte er nur hierher geraten sein? Suchend blickte ich zum Rande der schmalen Schlucht hinauf, doch es waren keinerlei Bäume zu sehen. Vielleicht ein Wanderer? Die Französin saß auf ihrem Handtuch im Kies und schälte eine Orange, deren Schnitten sie anschließend genüsslich verschlang. Warum sollte nicht ein anderer Besucher ebenso genüsslich eine Avocado verspeist und den Kern spaßeshalber in den See geworfen haben?
Mein Entschluss war gleich gefasst: Ich würde den Kern mit zurück nach Deutschland nehmen – der Gedanke, ein Avocadobäumchen zu ziehen, dessen Herkunftsort der See des Wasserfalls bei El Guro auf Gomera war, mutete romantisch oder doch zumindest ausgefallen an – und so etwas mochte ich.
So wickelte ich den feuchten Kern in ein Papiertaschentuch und steckte ihn in meinen Rucksack. Von der Wanderung in die Ferienwohnung zurückgekehrt, erhielt er bis zum Ende meines Urlaubes einen warmen sonnigen Platz am Küchenfenster, denn von nun an war es wichtig, dass er gut trocknete.
Als die Zeit meiner Abreise gekommen war, stellte ich erstaunt fest, dass der Kern sich bereits leicht spaltete – ein Zeichen dafür, dass in seiner Mitte die Wurzel zu treiben begonnen hatte. Meiner bisherigen Erfahrung nach benötigte dieser Prozess mehrere Wochen, in denen der Kern, nachdem er getrocknet worden war, zu einem Drittel in Wasser getaucht in einem kleinen Gefäß aufbewahrt wurde bis die Wurzeln sich gebildet hatten. Dann konnte man ihn in Erde einpflanzen.
Die Prozedur konnte ich mir ersparen – zurück in Deutschland und in meiner Wohnung angekommen, packte ich meinen Koffer aus: der Kern hatte in der Zwischenzeit nicht nur Wurzeln entwickelt, sondern sich auch nach oben geöffnet, um für einen kleinen grünen Trieb Platz zu schaffen, der vorwitzig um wenige Millimeter aus dem Kern herausragte. Wie die Natur all dies während der wenigen Stunden meiner Heimreise hervorgebracht hatte, blieb mir ein Rätsel. Vielleicht war das Wasser des kleinen Wasserfallsees mit besonderen wachstumfördernden Nährstoffen gesegnet gewesen? Ich nahm es hin, wie es war und pflanzte den Kern direkt in einen Topf mit frischer Blumenerde.
Er erhielt einen Platz in meinem Wohnzimmer (das ich gleichzeitig auch als Schlafzimmer nutze), nahe der Balkontür, durch die viel Sonnenlicht einfiel und die oftmals offen stand, um frische Luft herein zu lassen. Der Frühling näherte sich mit raschen Schritten dem Sommer; Sonne und Luft taten der kleinen Pflanze wundersam gut: sie wuchs und wuchs und wuchs. Im Juni musste ich sie in einen größeren Topf umpflanzen und verlegte ihren Standort hinaus auf den Balkon, wo sie förmlich explodierte. Jede Stunde wurde sie ein bisschen größer, jeden Tag entdeckte ich einige Dutzend neuer Triebe. Ich band Äste und Ranken am Balkongeländer entlang fest, um den Boden frei zu halten und um zu verhindern, dass sie sich lianengleich zum Balkon meiner Nachbarn hinunter schwangen. Der Juli wurde derart heiss, dass ich nachts bei weit geöffneten Fenstern und gekippter Balkontür schlief, um ein klein wenig Kühle in die Wohnung zu bringen – der Avocado stürzte sich leidenschaftlich auf diese neue Möglichkeiten zur Ausbreitung.
Nicht nur gewöhnte ich mich an den Dschungel in meiner Wohnung, er wurde mein ganzer Stolz. Ich liebte den Anblick der dichten hellgrünen Blätter, die mich schmeichelnd umgaben, wenn ich am Morgen unter die Dusche trat. Den Geruch von Erde, Laub und frischem Grün, der in der Küche hing, wenn ich zum Frühstück Kaffee kochte. Das Rauschen einer leichten, vom Balkon hereinziehenden Brise in den Blättern, das mich begrüßte, wenn ich vom Arbeiten nach Hause kehrte. Ja, manchmal meinte ich sogar das graugrüne Fleisch der Avocado zu schmecken, wenn ich mein Abendbrot in Gesellschaft sich sanft wiegender Zweige einnahm.
Dann entdeckte ich die Frucht.
Sie war recht weit entwickelt, von der Größe eine Orange, die Schale befand sich im Übergang von dunkelgrüner zu dunkelgrauer Farbe. Ich hatte sie nicht gesehen, weil sie im Halbschatten meines Zimmers wuchs, im Winkel eines Zweiges, der sich hinter den oberen Streben meines Hochbettes verbarg. Ich ließ die Frucht reifen, in der Absicht sie irgendwann zu ernten und aus dem neuen Kern einen neuen Baum zu ziehen.
Doch sie kam mir zuvor – eines Morgens fand ich sie auf dem Boden, geplatzt und der Kern unbrauchbar zerschellt, in zwei Hälften zerfallen. Ich entsorgte die Reste und hoffte auf eine neue Frucht.
Stattdessen hatte ich plötzlich eine Eidechse im Haus.
Es war wie während meines Urlaubs auf Gomera: Wann immer ich mich durch die Zimmer bewegte, hörte ich es in altbekannter Weise rascheln. Gleich ob ich barfuß lief, in Strümpfen schlich, auf Zehenspitzen unterwegs war – er hörte mich und entkam.
Dass er männlich war, wusste ich, denn hin und wieder huschte der schwarze Schatten vorüber, und Schwarz war die Farbe der Männchen, wohingegen die Haut der weiblichen Tiere braune Streifen aufwies. Aus den Augenwinkeln sah ich manchmal das Funkeln der schwarzen kleinen Augen, nie war ich schnell genug, ihn ganz zu sehen.
Dann kamen die Träume. Träume, die ich mir so wenig eingestehen konnte, dass ich sie niemanden anvertrauen mochte. Träume, die qualvolles Sehnen in mir hervorriefen, wenn ich eine Nacht traumlos verbrachte. Wirre Träume voll eines schwarzen schemenhaften Wesens, das Nacht für Nacht einen bis auf mein Kopfkissen reichenden Avocadozweig entlang und von dort auf meine Schulter huschte. Dessen kühler, geschmeidig schlanker Körper sich zwischen meinen Brüsten hindurch über meine Bauchdecke in liebkosenden Bewegungen nach unten schlängelte. Dessen Körper in einem ebenso geschmeidigen langen Schwanz endete, den er jede Nacht glänzend und feucht zwischen meine zusammengepressten Beine drängte bis ich sie ihm öffnete. Der suchend nach meinem Eingang hierhin gleitend und dorthin, brennende Spuren der Lust zwischen meine Schenkel und in meine Schamhaare kräuselte, meine Spalte entlang glitt wie ein blinder Wurm zuckend, witternd, endlich die Spur aufnahm, sich wie unbeabsichtigt an meine Lustknospe schmiegte, sie presste, wieder und wieder, schließlich dann die feuchte Höhle fand, mit der Spitze seines Schwanzes hineintastete, und endlich, als er sicher war, an der richtigen Stelle zu sein, gänzlich rückwärts in die nasse Tiefe abtauchte, je weiter sich vorarbeitend, desto breiter anwachsend, da der schlanke Schwanz sich zum Körper hin verdickte.
Ich verschlang ihn wie ein hungriger Hai einen saftigen Happen, sog ihn in mich auf, bis die Hinterfüße sich abwehrend auf meine Schamlippen stemmten, dem Sog nachgeben mussten, Kratzspuren zogen, als ich ihn hineinsaugte.
Zum Schluss immer das Gleiche: Er krallte seine kurzen Vorderfüße schmerzhaft in mein Fleisch, um sich zu halten, um nicht verschluckt zu werden, wandte seinen kleinen Kopf meinem Gesicht zu, die kleinen schwarzen Echsenaugen starrten kalt in die meinen, das Echsenmaul öffnete sich, eine kleine gespaltene rosa Zunge schnellte heraus, leckte zischelnd und zuckend und rauh meine bebende empfindlichste Stelle, während die Vorderfüße heranrückten, sie zu umfassen und beidseitig in stetem Rhythmus zu pressen, als sollte sie gemolken werden.
Doch der Sog und die kreisenden Bewegungen meiner Hüften zerrten an der Echse, fast ganz in mir versunken, wand sie sich der Länge nach, rieb, stieß, peitschte mein geschwollenes heißes Inneres – dann konnte er sich nicht mehr halten, ein letzter dunkler Blick in meine Augen, ein schneller harter unerwarteter Biss in die kleine lüsterne Erhebung und er versank, während über mir die Wogen eines unfasslichen Orgasmus‘ zusammenschlugen und ich schreiend in Schweiß gebadet erwachte.
Für eine Weile lag ich in der Dunkelheit, zitternd an allen Gliedern, und wenn mein Pulsschlag sich beruhigt hatte, überkam mich eine bleiernd schwere Müdigkeit, die mich sanft an der Hand nahm und in einen tiefen traumlosen Schlaf entführte, aus dem mich am Morgen der rasselnde Wecker zurückholte.
Kam dann mit einem Schlag die Erinnerung an den Traum zurück, so überflutete mich der Ekel. Angewidert schob ich die Gedanken an das blindschleichenähnliche Echsentier beiseite – die Perversität geschlechtlicher Akte mit Tieren hatte mich schon immer mit Abscheu erfüllt und dass ich so träumen konnte, wie ich es tat, ließ sich schwerlich mit meiner moralischen Gesinnung vereinen.
Doch wenn der Abend nahte, konnte ich es kaum erwarten, zu Bett zu gehen. Zwar belog ich mich selbst, in dem ich den Augenblick hinauszögerte und mir einredete, ich hätte es nicht eilig. Mit einem Glas Wein spazierte ich durch meinem Avocado-Urwald, wandelte auf dem Balkon, von dem ich auf die Dächer der Stadt nur noch deshalb schauen konnte, weil ich regelmäßig den wuchernden Baum beschnitten hatte, um wenigstens ein fenstergroßes rechteckiges Loch dauerhaft offen zu halten.
Die Sommerhitze sammelte sich schwül und drückend über den Tag hinweg unter dem dichten Blätterdach, abends fuhr eine kühle Brise in meine Wohnung, doch da war meine eigene Hitze bereits wieder erwacht und ich spürte die Erfrischung nicht mehr. Das Rascheln im Geäst war für mich der Inbegriff erotischer Musik – der verheißungsvolle Bote bevorstehender nächtlicher Freuden. Nackt bettete ich meinen fiebernden Körper auf die kühlen weißen Laken, sehnsüchtig den Schlaf herbeiwünschend.
Und er kam. Und mit ihm meine prachtvolle Echse.
Ich vernachlässigte meine Arbeit ebenso wie Freunde und Bekannte, wann immer ich konnte, hielt ich mich zuhause auf. Klingelte das Telefon, so nahm ich nicht ab, läutete es an der Tür, so öffnete ich nicht. Doch diese Zeit, in der die hemmungslose Lust den abgrundtiefen Ekel längst verdrängt hatte und zur Sucht geworden war, verging schließlich und es folgte eine andere, in der mir das kleine Tier und seine Gaben nicht mehr genügten. Der kleine Eidechsenkörper erfüllte mich nicht länger – immer öfter sehnte ich mich nach einem mächtigen Geschlecht, mich zu sprengen, nach breiten Händen, meine Brüste zu streicheln, nach einem starken Körper, den ich umfassen konnte, an dessen Brust ich mich schmiegen konnte während des Liebesaktes.
So wachte ich eines Nachts auf, weil ich inmitten des Traums die zierliche Echse mit einer schroffen Handbewegung unwillig von meinem Schoß geschleudert hatte – vor Schreck warf sie – wie es der Eidechsen Fähigkeit ist – ihren Schwanz von sich und flüchtete als häßlicher Stumpf zwischen die Äste des Avocado-Baumes.
Als ich die Augen öffnete, blickte ich in kleine schwarze funkelnde: Die Eidechse, in Fleisch und Blut, saß still am Rande meines Bettes und beobachtete mich. Ich wagte nicht, mich zu bewegen. Ihr langer Hals reckte sich in stolzer Haltung, ein Schimmer von Traurigkeit schien in ihrem Blick zu liegen. Die winzigen Nasenlöcher am Ende des flachen eckigen Echsenkopfes öffneten und schlossen sich im regelmäßigen Rhythmus seiner Atmung. Eine Woge von Verbundenheit, liebevoller Zuneigung überkam mich und ich lächelte ihr zu. Im selben Augenblick huschte die Echse blitzschnell von dannen. Ein letztes Rascheln, dann blieb es still.
Es blieb still für fast vier Wochen, in denen ich die schwarze Eidechse weder in Wirklichkeit noch im Traum sah. So sehr ich mich mühte, „Dex“ in Gedanken zu rufen, mein Schlaf blieb tief und traumlos. Ich versuchte, mich von der schmerzlichen Leere in meinem Herzen und meinen Lenden abzulenken, in dem ich meine Wohnung auf den Kopf stellte. Erst jetzt wurde ich gewahr, wie sehr ich sie hatte verkommen lassen. Ich riss alle Fenster auf, um den modrigen Geruch aus den Zimmern zu vertreiben, putzte die Scheiben, fegte und reinigte wie vom Irrsinn befallen, trug bergeweise abgefallenes vertrocknetes Avocadolaub auf den Kompost, beschnitt die Pflanze, von der ich mich wie erstickt fühlte, in radikaler Weise, um Luft und Licht herein zu lassen.
Erschrocken erblickte ich einmal die leblose Eidechse, wie auf den ersten Blick meinte. Auf den zweiten stellte ich fest, dass es sich nur um die ausgetrocknete Hülle derselben handelte – die Echse musste ihre Haut im Ganzen erneuert haben. Kurz nur streichelte ich wehmütig über die toten Reste, dann warf ich sie entschlossen in den Müll. Schließlich begann ich sogar wieder auszugehen, traf alte Freunde in Cafes und Kneipen, unterhielt und amüsierte mich, lachte viel. Das Gefühl der Einsamkeit, das mich des Abends ergriff, wenn ich meine raschellose Wohnung betrat, und die Schwere einer ungreifbaren Traurigkeit nach jeder traumlosen Nacht, verflüchtigten sich mehr und mehr wie Nebel an einem kühlen vorherbstlichen Morgen, der der Wärme eines spätsommerlichen Tages weichen musste.
Eines Abends kehrte ich spät von einer rauschenden Sommernachtsparty heim und betrat meine Wohung gerade noch rechtzeitig bevor ein tosendes Gewitter losbrach. In den Zimmern roch es schwül und feucht, die stickige Hitze war unerträglich. Draußen entlud sich das Gewitter mit Blitz und Donner und der Himmel öffnete seine Schleusen. In meinem leichten Sommerkleid, unter dem ich nichts als meine Haut trug, trat ich auf den Balkon hinaus und hielt mein Gesicht empor in den warmen Regen, der durch das gelichtete Blätterdach fiel. Ich lächelte in Gedanken an den jungen sommersprossigen Blonden, der mir mit mehreren Litern Champagner den Hof und viel Spaß gemacht hatte, und dem ich wie Cinderella ihrem Prinzen um Mitternacht hatte entfliehen können, bevor er anfing, sich Hoffnungen zu machen. Hinter mir raschelte es.
Ich fuhr herum, starrte in das Halbdunkel meines Wohnzimmers, als ein weiterer Blitz es erhellte. Kurz sah ich die Umrisse einer hochgewachsenen Gestalt. Meine Hand fuhr an die Kehle, ein Krächzen entrang sich.
„Du?“ flüsterte ich heiser.
Die Gestalt löste sich aus dem Schatten des Avocadobaumes und trat auf mich zu. Kurz empfand ich die leichte Unsicherheit in seinem Gang, mein Blick fing den seinen auf und jegliche Furcht wich von mir. Ich betrachtete ihn und konnte nicht glauben, wie vollendet schön er war.
Die ebenholzschwarze Haut spannte sich glänzend und haarlos über seiner muskulösen Brust, den schlanken kräftigen Beinen und Armen. Sein Schädel war glatt, wohlgeformt, volle sinnliche Lippen schürzten sich leicht unter einer schmalen edlen Nase zwischen hohen Wangenknochen, leicht schräg stehende tiefschwarze Augen bedachten mich mit einer innigen Frage, die mein Herz vor Mitleid überfließen ließ.
„Wunderschön bist du!“ bestätigte ich liebevoll und schnippte in abwesender Geste ein Stückchen schuppigen Hautrestes von seiner makellosen Schulter. Dann berührte ich zärtlich sein Gesicht. Er gurrte leise, streckte vorsichtig eine Hand aus und begann an den Knöpfen meines Kleides zu nesteln. Ich half ihm und schließlich fiel das Kleid zu meinen Füßen zu Boden.
Seine langgliedrigen Finger tasteten nun unbeholfen, aber sanft über das weiße Fleisch meiner Brüste, erforschten die Warzen, die sofort steif hervorstießen. Die Erregung ließ mich nach Luft schnappen, ein tiefer Seufzer kam über meine Lippen, was einen leise zischelnden beglückten Laut hervorrief, als er meine Reaktion beobachtete.
Unsere Blicke trafen sich und mir wurde schwindelig vor dem schwarzen Abgrund in seinen Augen. Sein Mund näherte sich schwer atmend dem meinen, öffnete sich leicht, ich sah das rosafarbene Züngeln und hob mein Gesicht seinen Lippen entgegen, als ich in seiner Lendengegend eine Bewegung gewahrte. Fassungslos wurde ich Zeuge, wie sich ein gewaltiges Glied zwischen seinen Beinen aufrichtete und schräg nach oben bis weit über seinen Bauchnabel erigierend anschwoll.
„Perfekt“, flüsterte ich und konnte nicht widerstehen, das traumhafte Gebilde sogleich gierig mit beiden Händen zu packen.
Dex erschauerte von Kopf bis Fuß, warf den Kopf in den Nacken und stieß erregte heftige Zischlaute aus, dann grub er seine Finger in meine Schultern, presste seine Lippen fest auf die meinen und riss mich mit sich auf den von Avocadoblättern bedeckten Boden des Balkons.
* * * * *
Nachbarn, die Nacht für Nacht den exotischen, orgiastischen Schreien gelauscht hatten, riefen schließlich die Polizei.
Die Beamten, die sich mit Gewalt Eintritt in die Wohnung verschaffen mussten, weil ein dschungelartiger Bewuchs ein normales Öffnen der Haustür nicht mehr zuließ, zogen einen Zoologen zur Unterstützung heran, da sie fürchteten, in das Heim eines Exotenliebhabers geraten zu sein, der freilaufende Vogelspinnen oder Giftschlangen als Haustiere halten mochte.
Doch alles was sie fanden, war die verkohlte Leiche einer Frau – „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Blitz getroffen“, sollte der sezierende Arzt später diagnostizieren.
Eine junge attraktive Polizistin entdeckte die leere Hülle eines Tieres auf dem Balkon – „Eidechse“, stellte der Zoologe nach kurzer fachmännischer Untersuchung fest. „Ungiftig“, fügte er noch hinzu. Die rothaarige Beamtin beachtete ihn trotzdem nicht weiter. Während sie noch die leere schwarzsilberne Haut betrachtete, die eine unerklärliche Faszination auf sie ausübte, schlug ein harter Gegenstand auf ihrer Schulter auf und fiel von dort zu Boden. Sie warf die Echsenhaut achtlos beiseite und beugte sich nach der schwarzgrauen Frucht, die den Sturz unversehrt überstanden hatte. Prüfend musterte sie das dichte Geäst des Baumes, der sich die gesamte Wohnung untertan gemacht hatte. Keine weiteren Früchte waren zu sehen. Trotzdem handelte es sich eindeutig um eine Avocadofrucht. Sie wusste dies, nicht weil sie das Fruchtfleisch gerne aß, nein, sie bewahrte gerne die Kerne auf, um kleine Avocado-Bäume – Vettern der auf den Kanaren häufig zu findenden Lorbeerbäume – daraus zu ziehen.
Sie beschloss, ihr Glück zu versuchen und nahm die Frucht mit. Als sie zum Ausgang des Zimmers lief, vernahm sie ein Rascheln hinter sich. Schnell wandte sie sich um, doch es war nichts zu sehen.
Die zu diesem Zeitpunkt bereits eingetroffene Kolonne des städtischen Räumungsdienstes, die den Auftrag hatte, den Inhalt der Wohnung bis auf den letzten Krümel auf der örtlichen Müllhalde zu entsorgen, bat sie, auf eine Eidechse in der Wohnung zu achten und sie möglichst lebend zu fangen.
Doch die Männer wurden einer Eidechse nicht fündig.